Aunty et le ménage-à-trois Teil 2 – Balkone und Voyeurismus

Der Frühling ist im vollen Gange, die Stimmung hebt sich, Endorphine werden ausgeschüttet und es wird Zeit für Teil Zwei.

Es ist interessant, wie Du Dich eine Woche zuvor mit zwei fremden Menschen getroffen hast und Dich jetzt auf einem Balkon mit ihnen unterhältst, um später nackt und eng umschlungen neben ihnen zu liegen. Und das an einem Dienstag. Der Beweis, dass das Leben definitiv nicht nur am Wochenende stattfindet! Und in einem der Artikel der Bellevue NZZ zum Thema Design und Wohnen lässt sich lesen: «Auf Balkonen findet das wahre Leben statt». Wenn die NZZ wüsste…

So sitze ich mit Jegor und Larissa da, wo das wahre Leben stattfindet, und geniesse ein Glas Martini Bianco. Die Wohnung ist stilvoll eingerichtet, alles hat seinen Platz, so wie man es von einer Architektin erwartet.

Wenn Du kurz davor bist, zum ersten Mal mit zwei Menschen intim zu sein, ist ein Glas Martini eine wunderbare Sache. Es soll jedoch selbstverständlich sein, dass ich nicht zu tief ins Glas schaue. Schliesslich war ich das Einhorn dieser Konstellation und wollte mich selbst nicht zum Seestern degradieren.

So war die Getränkewahl geregelt, die Wohnung inspiziert und die Musik kommt ins Spiel.

Warum Musik? Weil sie mich in der Zeit, in welcher ich bei Jegor und Larissa bin, fortlaufend begleitete. Und Jegor, Larissa und ich waren in Harmonie zueinander, wie ein abgestimmter Dreiklang. Und für einen Akkord braucht es mindestens drei Töne. Zufall? Ich denke nicht.

Jegor fragt mich, ob ich mag, was aus der Musikanlage ertönt. Ich bejahe. Es waren treibende, elektronische Stücke. Ziemlich schlau, um die Stimmung in die richtige Richtung zu lenken. Denn was wird in sex-positiven Clubs dieser Welt gespielt? Techno! Und das hier war die light@Home-Variante. Titel für die Bellevue NZZ: «Raumgestaltung und Musik für eine gewinnbringende Triage am Beispiel eines Zürcher Balkons».

Und Raum und Musik sind die richtigen Schlagwörter. Denn beides bestimmt Deine Gefühlslage mit und trägt dazu bei, ob Du Dich wohl oder unwohl fühlst. Musik und Raum sind im Zusammenhang zu verstehen. Musik hat etwas territoriales, wird einem Ort, Raum oder Land zugeordnet. Und in richtiger Kombination entstehen so manche Dinge. Boxer werden zu Höchstleistungen angetrieben, eine Liftfahrt angenehm gestaltet, oder drei Menschen in die richtige Stimmung gebracht. Hörst Du schon Marvin Gaye im Hintergrund?

«Diese Playlist hat er extra für heute zusammengestellt», sagt mir Larissa augenzwinkernd. Und tatsächlich zeigt Jegor mir seine Playlist, mit dem Titel «Threesome». So kann er nicht nur gute Musik auswählen, sondern Sachverhalte treffend beschreiben. Smarter Typ. Und für diesen Anlass passend. Hätte ich unter anderen Umständen ein zweites Date, und der Typ zeigt mir stolz die Sex-Playlist, welche er zusammengestellt hat, wäre ich schneller weg, als Eminem rappen kann, oder Lou Bega in Mambo No. 5 auf fünf Zählt.

Doch in diesem Fall, entscheide ich mich zu bleiben..

Irgendwann beugt sich Larissa zu mir und wir beginnen zu knutschen. Ich spüre Jegor und Larissas Hände auf meinen Oberschenkel, während ich sie abwechselnd Küsse. Dabei entscheiden wir uns, den Balkon zu verlassen, und unsere Dreisamkeit nach innen zu verlegen. Denn wenn Musik, Räumlichkeit und Intimität zusammenspielt, ist das Bett nach wie vor ein stimmiger Platz. Und wer weiss, ob gegenüber nicht die NZZ-Journalistin wohnt, welche endlich den Beweis für ihre Hypothese sucht.

Man stellt es sich viel komplizierter vor, zu dritt intim zu sein, als es eigentlich ist. Übergeordnet ist es doch immer ein Spiel von Konsonanz und Dissonanz, von Anspannung und Entspannung und von Reiz und Stillung, wie ich es auch aus einem Artikel der Frankfurter Allgemeine entnehme. Diese Polaritäten sind in der Musik und beim Sex gleichermassen zu finden. Ausser Du bist ein Langstreckenläufer, der immer auf das gleiche Tempo achtet. Ich hoffe nicht, doch Du verstehst was ich meine.

Und genau dieses Prinzip von auf- und entladen setzten wir in unserem Spiel um. Wir erforschten, was es für Konstellationen und Möglichkeiten gibt zu dritt. So wie bei diesem magnetischen Bausatz aus Stäbchen und Magnetkugeln, welche zu einer geometrischen Figur zusammengebaut werden. Endlich habe ich so auch den Grund gefunden, warum Geometrie in der Schule wichtig ist. Wobei unser Ziel nicht war, eine Pyramide aus drei Menschen zu formen. Stell Dir vor… Doch es formt eine gewisse Flexibilität.

Und wie in einem instrumentalen Stück, verstanden wir uns ohne Worte, oder diesen Stummfilmen von Charly Chaplin. Wobei wir nicht hektisch gestikulierten. Viel mehr bewegten wir uns anmutig, wie die Stimme von Marilyn Monroe, als sie dem Präsidenten zum Geburtstag gratuliert, nur etwas schneller. Wobei es mein Geburtstag hätte sein können, so wie Larissa meinen Hals küsst während Jegor uns beide festhält. Eigentlich von allen Drei. 50 Cent würde jetzt sagen: «go shawty…».

Dabei entstand zwischen mir und Jegor ein unausgesprochener Pakt. Wir werden keinen Sex im klassischen Sinne miteinander haben. Denn wenn Sex und Musik immer etwas mit Raum und Territorium zu tun hat, war Jegors Penis ein Platz, auf welchem ich mich nicht setzen werden. Er gehörte zu Larissa und ich war der Gast. Doch wenn Du glaubst, ich sei zu kurz gekommen, liegst Du weit daneben. Dafür hat Larissa gesorgt, als sie genussvoll meinen Körper schmeckt und mit ihrem Gesicht zwischen meinen Beinen Halt macht. Die Frau wusste definitiv, was Rhythmus ist und verweilte so lange, bis ich komme. 

Ich war erstaunt, wie einfach ich dies zulassen konnte. Und auch ich habe durch Larissas Körper Neuland betreten. Wobei ich bestimmt nicht so trittsicher war wie sie. Während sie wie ein Sherpa-Guide auf mich wirkte, war ich wohl mehr der Tourist mit Sonnenbrand und Landkarte in der Hand, der nach dem Weg fragt.

Okay, ganz so orientierungslos war ich nicht. Vielleicht mehr, wie wenn Du zum ersten Mal essen probierst, von welchem Du schon viel gehört hast. Oder ein Gericht, welches Du oft im Restaurant bestellst, jetzt zum ersten Mal selbst kochst. Du hast die Artischocke in der Hand und denkst Dir okay, schon oft gesehen, doch wie genau bereitet man das jetzt vor? Vielleicht ist es auch mehr wie, wenn du zum ersten Mal jemand anderem die Zähne putzt, oder die Haare frisierst.

Irgendwann sitzt Larissa auf ihrem Territorium, während ich neben ihnen liege. Sie möchte mich dazu holen, doch instinktiv und zu meiner eigenen Überraschung, lehne ich ab. Ich will diesem Moment als Beobachterin beiwohnen. Voyeurismus par Excellence. Ich war der Mensch, der bei einer Fensterfront ins Wohnzimmer der Nachbarn schaut, wenn die Vorhänge nicht geschlossen sind. Diejenige, welche Balkone mustert oder in fremde Gärten schaut, wenn die Thuja-Bäume noch nicht hoch genug sind. So ein Mensch wie Du. Oder warum machst Du Deine Musik aus im Tram, um dem Gespräch Deiner Sitznachbarn zu lauschen? Oder wieso liest Du diese Geschichte?

Sex von zwei Menschen so nah mitzuerleben, ist wie die Privatvorstellung einer Sonata. Einer kleinen, musikalischen Komposition, und zwar ganz analog. Kein Spotify, keine VR-Brille. Eine kurze Erinnerung daran, dass Technik nicht alles ersetzen kann.

Niemand kam zu kurz in dieser Runde, oder in den zwei Runden, besser gesagt. Denn jede gute Aufführung verdient eine Zugabe. Und es war die Zugabe, welche ein Crescendo mit anschliessender Klimax, dem musikalischen Höhepunkt, hatte, den ich so leicht nicht mehr vergessen werden. Und weil ich weiss, dass Du auf Details stehst, verrate ich Dir warum.

Larissas Atmung und Herzschlag wird schneller, als sie sich komplett auf mich legt, während ich auf dem Rücken liege. Ihren Kopf gräbt sie dabei in meinen Nacken. Jegor ist über ihr und verwöhnt sie, während er mich anschaut. So verbleiben wir und starren uns völlig gebannt an, bis Larissa kommt. Ich glaube ich hielt den Atem an, um nichts zu verpassen.

Die gängige Frage nach dem Sex, «bist Du gekommen?», nervt. Aber ich kann jetzt verstehen, warum es so grossartig ist, eine Frau zum Orgasmus zu bringen.

So liegen wir nach beendeter Soirée zusammen im Bett. Ich in der Mitte, Jegor und Larissa auf jeweils einer Seite von mir. Beide stellen mir je noch eine Frage. Die erste von Larissa, ob ich mir vorstellen kann, sie auch ein weiteres Mal in Zweisamkeit zu treffen. Die Zweite von Jegor, ob wir diesen Moment nicht mit einem Foto festhalten wollen.

Folgendes war meine Antwort: Liebe Larissa, es war fantastisch und doch brauche ich einen männlichen Teil. Und Jegor, diese Geschichte müssen dir deine Freunde auch so glauben. Ganz ohne Beweisfoto. (Vielleicht entdeckst Du ja irgendwann diesen Blog).

Übrigens gibt es auch Musik, die Du danach hörst, wenn Du noch völlig berauscht nach Hause fährst. ACDC und Black Sabbath!

In dem Sinne, stay safe and have fun

Brachmann, J. (16.Mai 2020) Musik und Erotik. Erregung, Verzögerung, Höhepunkt. Frankfurter Allgemeine. Abgerufen von https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buehne-und-konzert/hirnforschung-musik-hat-viel-mit-erotik-und-sex-zu-tun-16726315.html

Wikipedia (2021). Dreiklang. Abgerufen am 15.05.21 von https://de.wikipedia.org/wiki/Dreiklang

Witchel, H. (2010). You are what you hear: How music and territory make us who we are. New York: Algora Publishing.

Hagmann, L. (01. April 2021) Auf Balkonen findet das wahre Leben statt! Bellevue Neue Zürcher Zeitung. Abgerufen von https://bellevue.nzz.ch/design-wohnen/fruehlingswetter-eine-ode-an-den-stadtbalkon-ld.1608454

2 Kommentare zu „Aunty et le ménage-à-trois Teil 2 – Balkone und Voyeurismus“

  1. Interessante Story ohne Zweifel und sehr schön geschrieben. Aber ist es komisch, dass das was mich am Meisten überrascht hat, dass du AC/DC und Black Sabbath hörst? Das macht dich irgendwie sehr sympathisch 😀

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